Gemein sind ihnen allein die Begriffe „Vater-Sohn-Heiliger Geist“…
Geht es um die Eigenschaften dieser Wesenheiten, sagt jeder etwas Gegenteiliges, spricht verworrenes und bezichtet den jeweils anderen des Irrglaubens.
Vor einem Jahr referierte ich in der Romanshorner Mevlana Moschee zum Thema „Was ist das Christentum - Was bedeutet die Protestantisierung des Islam?“ und erkannte wieder einmal wie schwer es ist die christlichen Glaubenssätze zu verstehen und zu erklären. Zu verwickelt, zu verwirrend, zu widersprüchlich und voll mit Ausweglosigkeiten…
Wer ist der Vater? Woher kommt der Sohn, was hat es mit dem Heiligen Geist auf sich?!
Laut der Erklärung(!) des Kirchenvaters Athanasius sei: „Der Vater nicht begreifbar, der Sohn nicht begreifbar, der Heilige Geist nicht begreifbar“?!
Und warum ist Jesus nicht menschlich?
Warum lächelt er nie oder macht, beispielsweise, nie einen lustigen Scherz, ein Bonmot?
Wenn er doch ein Gott ist, warum dann diese Unfähigkeit?
Ist denn die Suche nach dem „Menschen Jesu“, als Gegenzug zum „Gott Jesus“, etwa bei Nikos Kazantzakis in seinem Werk „Die letzte Versuchung Christi“ oder in Bestsellern wie „Sakrileg“ vollkommen unangebracht?
Die Paradoxa der christlichen Glaubenssätze aufzulisten ist natürlich recht einfach…
Doch was wäre wenn ich selbst Christ wäre, ausgeschlossen von der Ehre Anteil am Islam zu haben; würde ich wohlmöglich im Selbstmord enden, Atheist werden, mich zum Buddhismus bekennen, ein Agnostiker, ein Anarchist, ein Hedonist sein?
Jedes mal wenn ich eine solche Empathie herstelle, sehe ich mich auf der Flucht vor der Gesellschaft in der ich lebe.
Ja, alle Möglichkeiten die außerhalb des Islam stehen sind lediglich „Fugen“. Und all dies erlebt der Westen und flieht…
Flieht von einer Dreifaltigkeit in die nächste hinein…
Reformation, Renaissance und Aufklärung; Gleichheit (égalité), Freiheit (légalité), Brüderlichkeit (fraternité) waren jeweils eine „Fuge“. Die Flucht von einer Dreifaltigkeit in die nächste…
Die postmoderne Dreifaltigkeit ist ebenfalls eine Fuge: Bio-Derma-Logie.
„Fuge“ leitet sich vom griechischen Wort „fevgo“ ab, was soviel wie „verlassen, weggehen“ bedeutet. Der Begriff kann mit „Fluchtsyndrom“ übersetzt werden…
Dieses neue Dreifaltigkeitsgebot ist leicht erkennbar. Auch der letzte Dummkopf dürfte es begreifen: „Fröne dem Naturalismus, heilige dein Fleisch, glaube der Wissenschaft!“
Innerhalb dieser Neo-Dreifaltigkeit nimmt der „Bios“ den Platz des „Sohnes“ der altertümlichen Dreifaltigkeit ein…
Du bist der Sohn Gottes, ja selbst ein Gott; zerreiß alle Katechismen, sei tierhaft frei, gibt dich der Natur hin, lebe wie du willst, esse, trinke und vermehre dich…
„Derma“ wiederum ist das „Fleisch“…
Die altertümliche Dreifaltigkeit verachtete das Fleisch. Das Fleisch war es nicht einmal wert gewaschen und gepflegt zu werden. Diese Verachtung galt als Ausdruck einer Idealisierung des Geistigen. Im krassen Gegensatz zum „Heiligen Geist“-Glauben der altertümlichen Dreifaltigkeit, idealisiert die Neo-Dreifaltigkeit das „hygienische“. Geheiligt wird das „Fleisch“…
„Geheiligtes Fleisch“!!!
«Letzte Woche bestellte ich aus dem 11. Stockwerk den Fahrstuhl herbei. Als der Fahrstuhl bei mir anlangte befand sich niemand anderes darin. Mit dem Ersten Schritt hinein überkam mich ein schwerer Schweißgeruch. Es war kaum auszuhalten. Das irgendein oder irgendwelche Benutzer vor mir ihre Hautausdünstungen im Fahrstuhl hinterließen war offensichtlich. Und genau in diesem Moment überkam mich eine Panik. Meine Angstvorstellung: Was wenn nun jemand zusteigt und mit verdächtigenden Blicken klarmacht, dass dieser üble Geruch nur von mir stammen könnte…“ (…) Allem niederträchtigen, erniedrigenden und jeder Kritik könnte ich widerstehen. Und widerstand ich auch. Doch niemals einer solchen Verdächtigung. Lieber würde ich sterben.» (Der Schneckenverkäufer)
Schließlich nimmt den Platz des „Vaters“ die „Wissenschaft“ ein.
Wissenschaft, Erkenntnis, Logos…
«En arhî în o lôgos ke o lôgos în pros ton Theon ke Theos în o lôgos: Am Anfang war der Logos und war bei Gott und Gott selbst war der Logos»
So beginnt das Evangelium nach Johannes; „Gott selbst war der Logos“…
In der Neo-Dreifaltigkeit ist Gott der Logos…
Wieso auch nicht?!
Stellt euch vor ihr seid Wissenschaftler und jede Theorie, jede Entdeckung bringt eine Glaubenssäule eurer Religion zum Einsturz!
Beispielsweise wenn ihre mit wissenschaftlicher Exaktheit erfahrt, dass die täglich fünfmalige rituelle Waschung Hautkrebs verursacht…
Beweist doch mal als muslimischer Wissenschaftler, dass Verhüllung nach islamischem Gebot bei Frauen Krätze und Haarausfall auslöst…
Und im Namen eurer wissenschaftlichen Ehrenhaftigkeit müßt ihr schließlich auch zugeben, dass bei Menschen die Beten frühzeitig Vergesslichkeit und Senilität auftreten…
Diese Beispiele könnt ihr beliebig weiterführen…
Und nun denkt einmal nach!
Welch Glaubenserschütterung, welch Sturz, welch Trauma und Katastrophe, welch Persönlichkeitsspaltung würdet ihr erleben?!
All dies hat der Westen erlebt; erlebt es immer noch…
«Es war in einer sternenreichen Nacht des Jahres 2005. Ich saß alleine an einer Anlegestelle im Golf von Gökova. In meiner Hand ein Glas Wein. Es war eine Vollmondnacht. (…) ich fühlte mich wie in einer riesigen Moschee, die nur mir allein gehörte. Ein Ein-Mann-Glaube, eine Ein-Mann-Gemeinde, ein Ein-Mann-Orden. Halladsch al-Mansour kam mir in den Sinn. Sein Ausruf „Ana`l Haqq - Ich bin die Wahrheit“ dröhnte in meinen Ohren. (…) Das letzte was ich hörte, bevor ich in den Schlaf fiel, war der Laut den das Buch von sich gab als es mir aus den Händen zu Boden fiel. Ich las die „Nouvelle Historie de l’Homme“ von Pascal Picq. Ich hatte gerade damit angefangen und war noch auf den Ersten Seiten, wo mir eine Entlehnung bei Freud aufgefallen war. „In all den Jahrhunderten hat die Wissenschaft, zwei große Wunden in die Würde des Menschen geschlagen: Die Erste, als sie aufzeigte dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist, sondern lediglich ein winziger Punkt in einem unvorstellbar riesigen System. Die Zweite, als die Biologie darlegte dass der Mensch nicht ein privilegiertes Geschöpf, sondern ein Teil der animalischen Welt ist“ (…) Entferne ich mich vom Muslimentum? Absolut nicht. Aber ich erschaffe mir eine eigene Gemeinde. Wie ein Hindu, trage ich meinen Tempel überall dorthin wohin ich gehe. Zu glauben ist ein Individueller Vorgang. Der Jünger dieser Konfession ist ein Einziger.» (Der Schneckenverkäufer)
Der „Schneckenverkäufer“, den ich hier zum zweiten mal zitiere, ist Ertugrul Özkök, Hauptredakteur der Tageszeitung Hürriyet… Das Erste Zitat ist aus einer Kolumne vom 08. März 2007, das Zweite der Ausgabe vom 04. März 2007 entnommen…
Im 11. Stockwerk des Pantheons mit Namen Hürriyet, sitzt er und hält sich für einen Gott. Ab und zu steigt er mit dem Fahrstuhl hinab zu den Sterblichen und muß sich sogar ihren Hautausdünstungen aussetzen. Sich selbst huldigend in seinem individuellen Tempel. Doch ist nicht dieser verbrauchte Esel, der das Fleisch seines ergrauten und dreckigen Hinterteils anhimmelt und sich als jugendhaft-vitales Eselsfüllen artistisch in Szene setzt, das Thema auf welches ich eigentlich hinweisen möchte. Dieser Esel ist nur der Pastor der „neuen Dreifaltigkeit“ für die türkische Sektion. Und seine Aufgabe besteht nun mal im muslimischen Viertel seine Schnecken zu verhökern. Worauf ich eigentlich hinaus will ist ein Abschnitt aus dem Zweiten Zitat des Schneckenverkäufers; die Entlehnung des Pascal Picq bei Freud:
„In all den Jahrhunderten hat die Wissenschaft, zwei große Wunden in die Würde des Menschen geschlagen: Die Erste, als sie aufzeigte dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist, sondern lediglich ein winziger Punkt in einem unvorstellbar riesigen System. Die Zweite, als die Biologie darlegte dass der Mensch nicht ein privilegiertes Geschöpf, sondern ein Teil der animalischen Welt ist.“
Die Deutung überlassen wir dem seligen Aliya:
«Der arabische Wissenschaftler Biruni erklärte fünf Jahrhunderte vor Kopernikus, dass die Erde sich nicht nur um ihre eigene Achse dreht sondern auch um die Sonne. Aufgrund dieser Erklärungen wurde er weder des Irrglaubens bezichtet, noch wurde seine Lehre als unvereinbar mit der Religion betrachtet. Dies lag nicht an einer etwaigen liberalen Einstellung der Gesellschaft. Das solarzentrische System des Kopernikus lag in direkter Konfrontation mit dem Selbstverständnis der christlichen Welt. Der Streit hing nicht unbedingt von der Lage der Erde ab. Mitsamt der Erde versetzte Kopernikus auch den Menschen an die Peripherie. Allein diese Situation bedeutete eine große Zerrüttung für das Christentum. Nicht jedoch für den Islam, der mit keinem überhöhten Menschenbild vorbelastet ist. Doch für eine Lehre die den Menschen mit Gott verschmolz, war die Theorie des Kopernikus eine unverzeihliche Irrlehre. Mußte als Angriff gegen eines der bevorzugtesten Lehrmeinungen betrachtet werden. Dies erklärt die unterschiedlichen Reaktionen gegenüber Kopernikus und Biruni.» (Alija Izzetbegovic, Notizen aus dem Kerker)
Kurz zur Moral der Geschichte:
1- Das Christentum richtete sich nicht zuletzt wohl aus purer Garstigkeit, quasi nach dem Motto „Hauptsache der Wissenschaft eins auswischen“, gegen die Rotation der Erde und anderer wissenschaftlicher Daten. Der Islam steht dabei aber nicht in der Position einer „Anhimmlung der Wissenschaft“; Ziel ist die Übereinstimmung mit dem Willen Gottes. Die wissenschaftlichen und technologischen Entdeckungen sind, um es mit einem Satz von Salih Mirzabeyoglu zu formulieren: „Entdeckungen des Menschen auf seinem Weg - seiner Suche nach Gott.“
2- Obwohl seit zweihundert Jahren die Bildungseinrichtungen und Zirkel der modernen Wissenschaften fest in Händen von Nicht-Muslimen sind und bisher nicht ein einziges islamisches Prinzip wissenschaftlich widerlegt wurde, ist es dennoch falsch von einer „Kompatibilität des Islam mit der modernen Wissenschaft“ zu sprechen: Richtschnur ist der Islam; die Wissenschaft muß kompatibel mit dem Islam sein.
3- Zu sagen, der Islam sei „eine wissenschaftliche Religion“ ist Unsinnig. Die Religion (Der Islam) ist die Ordnung absoluter Wahrheiten. Wissenschaftliche Erkenntnisse können jedoch niemals absolut sein! Der österreichische Wissenschaftler Karl Popper schreibt in seiner „Logik der Forschung“, dass die Wissenschaft der „Falsifizierung“ bedarf: „Wissenschaftliche Theorien können nicht absolute Wahrheiten sein. Aber sie können durch permanente Revisionen sich der Wahrheit annähren.“ Der Islam ist nicht historisch - nicht an das Zeitliche gebunden. „Überzeitliche-Überepochale absolute Wahrheit“ nennt es Salih Mirzabeyoglu.
4- Obwohl wir nur das Christentum betrachtet haben, sind unsere angeführten Kritiken gleichzeitig und sogar in erhöhtem Maße für den Judaismus gültig… Paulus, Architekt der Ersten Dreifaltigkeit, ist Jude. Die Erbauer der Zweiten und Dritten Dreifaltigkeit sind ebenfalls Juden… Der Judaismus ist eine erschreckende „Falsifikations-Bewegung“! Mit der von Popper beschriebenen wissenschaftlichen Falsifikation hat diese Falsifikation nichts gemein. Es handelt sich Geradewegs um Verdrehungen und Entstellungen. Intrige und Aufruhr… Der Schneckenverkäufer im muslimischen Viertel treibt genau dieses Gewerbe…
5- Obwohl die westlichen Bibliotheken randvoll mit Schriften über „islamische Wissenschaften“ sind, gibt es keine „christliche Wissenschaft“ oder „jüdische Wissenschaft“. Als bekennender Christ oder Jude hat niemand Wissenschaften gefördert. Daher sind auch die christlich und jüdisch stämmigen Wissenschaftler, inklusive der wenigen Kirchen-und Synagogenbesucher unter ihnen, allesamt Atheisten oder Agnostiker oder sonst was…
6- Alle Eventualitäten außerhalb des Islam sind “Fugen”!!!
Von Mustafa SAKA
22. März 2007 (Zeitschrift Aylik, Ausgabe April 2007)
- Übersetzer: Algabal-